8 S 2683/96

Verkündet am 11.07.1997

Die Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

gez. Keller, Ang.

 

 

 

 

 

VERWALTUNGSGERICHTSHOF

BADEN-WÜRTTEMBERG

 

 

Im Namen des Volkes

U r t e i l

 

 

In der Verwaltungsrechtssache

 

 

Herr Jörg-Peter Pleschka,

Zum Seebühl 28, 78315 Radolfzell,

-Kläger-

-Berufungskläger-

 

Prozeßbevollmächtigt:

Rechtsanwälte Werner Heyes u. Koll.,

Marktplatz 6, 78315 Radolfzell, Az: h-p

gegen

 

 

Land Baden-Württemberg,

vertreten durch das Landratsamt Konstanz,

Benediktinerplatz 1, 78467 Konstanz, Az: 2/210-692.100/94,

-Beklagter-

-Berufungsbeklagter-

 

 

wegen

 

 

Tauchverbots

hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Rieger auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 1997

 

 

für Recht erkannt:

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom

2. Juli 1996 - 6 K 1460/94 - wird zurückgewiesen.

 

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

 

Der Kläger wendet sich gegen die vom Landratsamt verfügte Erweiterung des am

Teufelstisch im Überlinger See bestehenden Tauchverbots.

 

Der Teufelstisch ist eine dem - an dieser Stelle nahezu senkrecht abfallenden - Ufer vorgelagerte Felsformation im Überlinger See westlich von Wallhausen, die aus einer vom Seegrund aufragenden, etwa 85 m hohen und nur wenige Meter dicken Säule besteht. Die Säule endet dicht unter der Wasseroberfläche mit einer tischartigen Felsplatte, die ein Seezeichen (Seezeichen 22) trägt. Aufgrund von zwei sich kurz hintereinander ereignenden Unfällen, bei denen insgesamt vier Taucher ums Leben kamen und zwei andere schwer verletzt wurden, erließ das Landratsamt Konstanz mit Allgemeinverfügung vom 15.7.1977 ein Tauchverbot im Bereich des Teufelstischs, das jedoch am 8.9.1978 wieder aufgehoben wurde. Nach einem weiteren Tauchunfall am 8.7.1979, bei dem zwei weitere Taucher ihr Leben verloren, untersagte das Landratsamt Konstanz mit Allgemeinverfügung vom 14.7.1979 erneut die Ausübung des Gemeingebrauchs durch Tauchen im Gewässerbereich des Überlinger Sees in einem Umkreis von 300 m um das Seezeichen 22 ("Teufelstisch").

 

Nachdem sich im September 1993 unweit des Teufelstischs erneut ein Unfall ereignet hatte, bei dem wiederum zwei Taucher ums Leben kamen, erweiterte das Landratsamt mit Allgemeinverfügung vom 17.2.1994 den Geltungsbereich des am 14.7.1979 verfügten Tauchverbots um 200 m nach Osten (entsprechend einem der Verfügung beiliegenden Kartenausschnitt). Die Verfügung wurde am 22.2.1994 öffentlich bekanntgemacht.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger ebenso wie eine große Zahl anderer Sporttaucher Widerspruch ein, den er damit begründete, daß das Tauchgebiet am Teufelstisch keinerlei Besonderheiten aufweise, die die angefochtene Verfügung rechtfertigten. Auch verkenne das Landratsamt, daß das Selbstbestimmungsrecht die Befugnis einschliesse, darüber zu entscheiden, welchen Gefahren sich der einzelne aussetzen wolle. Allein eine Häufung von Unfällen rechtfertige keine Einschränkung dieses Rechts.

 

Das Regierungspräsidium Freiburg wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 22.7.1994 zurück und führte zur Begründung aus: Die zusätzliche Beschränkung des Gemeingebrauchs sei zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit gerechtfertigt. Aufgrund der Vorkommnisse in der Vergangenheit bestehe der Verdacht, daß Taucher ohne entsprechende Erfahrung, Geländekenntnis und Ausrüstung ihr Leben durch Durchtauchen des Teufeltischs leichtfertig aufs Spiel setzten. Da am Teufelstisch im Gegensatz zu anderen Steilformationen der Steilabfall sofort beginne, sei hier eine besondere Gefahr gegeben. Hinzukomme, daß es auf der Landseite keine Zufahrtsmöglichkeit für Rettungsfahrzeuge, z. B. mit mobiler Druckkammer, gebe. Insoweit unterscheide sich der betroffene Abschnitt von anderen Tauchgebieten im Bodensee. Da ein Teil der Taucher sich der Gefahr nicht bewußt sei, sei die Wasserbehörde befugt, mit Einschränkungen des Gemeingebrauchs zu reagieren. Es komme hinzu, daß sich selbst gefährdende Taucher fremder Hilfe bedürften und diese im Notfall auch wünschten. Ereigne sich ein Unfall, strahle die Gefährdung in die Öffentlichkeit aus und begründe eine Hilfeleistungspflicht der Rettungsinstitutionen, wodurch diese ihrerseits gefährdet würden.

 

Der Kläger hat am 11.8.1994 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem Antrag, die Allgemeinverfügung des Landratsamt vom 17.2.1994 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 22.7.1994 aufzuheben, und zur Begründung geltend gemacht: Eine besondere Gefährdung im Tauchgebiet um den Teufelstisch sei nicht erkennbar, da auch andere Gebiete am Bodensee über keinen Schrägabfall verfügten. Soweit das Regierungspräsidium auf die Gefährdung dritter Personen abstelle, verkenne es, daß es der Polizei und anderen staatlichen Rettungsinstitutionen verwehrt sei, sich auf ein Gefahrenprivileg zurückzuziehen. Die Einsatztiefe der Taucher der Wasserschutzpolizei, der Feuerwehr und der DLRG ende zudem bei 20 m Wassertiefe.

 

Das beklagte Land hat Klagabweisung beantragt und erwidert: Selbst wenn die Einsatztiefe der Taucher der genannten Institutionen tatsächlich bei 20 m Wassertiefe ende, werde bei Unglücksfällen immer wieder zumindest moralischer Druck seitens der Angehörigen der Verunglückten ausgeübt, eben doch einen Rettungs- oder Bergungseinsatz durchzuführen. Diesem Druck zu widerstehen, sei äußerst schwierig, so daß Rettungs- und Bergungstaucher versucht sein könnten, ihm nachzugeben und damit ein zusätzliches Gefahrenpotential auf sich zu nehmen.

 

Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach Anhörung zweier Sachverständiger sowie zweier Wasserschutzpolizeibeamter mit Urteil vom 2.7.1996 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Durch die angefochtene Verfügung sei die Verbotszone erweitert, aber kein neues Verbot in der Form eines Zweitbescheids erlassen worden. Der Rechtsweg gegen das Verbot im Ganzen sei daher nicht neu eröffnet worden. Das Landratsamt sei die für den Erlaß der getroffenen Anordnung zuständige Behörde. Die Allgemeinverfügung sei ferner die richtige Form für die beabsichtigte Schutzmaßnahme. Die Erweiterung der Verbotszone sei auch materiell rechtmäßig. Am Teufelstisch sei eine besondere Gefahrensituation für Sporttaucher gegeben. Der Teufelstisch besitze aufgrund seiner geologischen Besonderheiten eine besondere Attraktivität für Taucher, die dazu führen könne, daß auch erfahrenere Taucher die erforderliche Vorsicht außer acht liessen. Insbesondere verführe die Felsnadel dazu, in größere Tiefen vorzudringen als sonst üblich. So bestehe einerseits die natürliche Versuchung, mindestens bis zu jener Stelle in 28 m Tiefe zu tauchen, an der die Felsnadel landseitig mit dem Ufer verbunden sei. Auch liege die Annahme nahe, daß noch größere Tiefen angepeilt würden, wobei die Felsnadel als "Meßlatte" diene. Die hohe Attraktivität des Teufelstischs sei ferner geeignet, darüber hinwegzutäuschen, daß es sich bei dem Bodensee um ein mitteleuropäisches Binnengewässer handele, dessen Temperatur ab einer bestimmten Tiefe 4° Celcius nicht übersteige, so daß eine ständige Gefahr der Vereisung des Lungenautomaten sowie der körperlichen Auskühlung bestehe. Gemäß § 28 Abs. 2 WG stehe es im Ermessen der Wasserbehörde, zur Abwehr dieser Gefahren Maßnahmen zu ergreifen. Von diesem Ermessen hätten das Landratsamt und das Regierungspräsidium fehlerfrei Gebrauch gemacht. Gefahrenabwehrende Maßnahmen staatlicher Behörden seien insbesondere dann zulässig und geboten, wenn ohne ein Verbot Gefahren für Dritte erhöht würden. Derartige Gefahren ergäben sich hier für Rettungstaucher. Da das Gebiet teilweise nur vom See her zugänglich sei, werde der Zeitdruck, unter dem Rettungsversuche erfolgen müßten, erhöht, und damit auch unbedachte Risikoentscheidungen leichter möglich gemacht. Sei somit das 1979 verhängte Tauchverbot nicht rechtsfehlerhaft, so begegne auch seine Erweiterung nach Osten, die eine Umgehung des Verbots verhindern solle, keinen Bedenken.

 

Gegen das ihm am 26.8.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.9.1996 Berufung eingelegt mit dem Antrag,

 

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. Juli 1996 - 6 K 1460/94 - zu ändern und die Allgemeinverfügung des Landratsamt Konstanz vom 17. Februar 1994 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 22. Juli 1994 aufzuheben.

 

 

Er macht geltend: Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen einer für die Anwendung des § 28 Abs. 2 WG notwendigen Gefahr bejaht. Eine bestimmte Wassertiefe stelle für sich allein kein Risiko dar. Hinzu kommen müsse vielmehr ein objektivierbares Moment, woran es im vorliegenden Fall fehle. Das Gericht habe zur Begründung solcher Momente u.a. auf die Illusion meeresähnlicher Weiten Rückgriff genommen, verkenne dabei aber, daß bei Sichtweiten von ca. 2 m eine solche Illusion wohl kaum aufkommen könne. Tatsächlich unterscheide sich die Situation am Seezeichen 22 in keiner Weise von anderen Tauchgebieten und begründe - anders etwa als Nacht-, Eis-, Höhlen- oder Strömungstauchgänge - kein besonderes Risiko für einen Taucher. Die Behauptung des beklagten Landes, daß die Möglichkeit, von einem günstig gelegenen Einstieg östlich der Verbotszone zum Teufelstisch durchzutauchen, von Tauchern ohne Ausnahmegenehmigung genutzt worden sei, sei eine bloße Vermutung. Auch eine 500-mGrenze stelle im übrigen kein unüberwindbares Hindernis dar. Selbst wenn man allein in der Wassertiefe eine Gefahrensituation sehen wolle, sei die Erweiterung des Tauchverbots rechtswidrig, da die Selbstgefährdung, die ein Taucher eingehe, von seinem durch das Grundgesetz geschützten Recht der freien Selbstentfaltung geschützt sei. In anderen Fällen sei auch das beklagte Land durchaus bereit, selbst extreme Selbstgefährdungen zu dulden.

 

Das beklagte Land beantragt,

 

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

 

Es erwidert: Anlaß für die Erweiterung der Tauchverbotszone sei nicht staatliche Bevormundung, sondern der Umstand, daß sich am Teufelstisch und in dessen näherer Umgebung in den vergangenen Jahren wiederholt Tauchunfälle mit teilweise tödlichem Ausgang ereignet hätten. Dem Kläger sei einzuräumen, daß sich die Situation am Teufelstisch vielleicht wenig oder gar nicht von der in bestimmten anderen Tauchgebieten am Bodensee oder sonst wo unterscheide. Das Landratsamt Konstanz habe jedoch nur über die Gefahrensituation am Teufelstisch zu entscheiden gehabt und sein Ermessen dahingehend ausgeübt, die Verbotszone auszudehnen. Die große Zahl an erteilten Ausnahmegenehmigungen bestätige, daß das Landratsamt bei seiner Verwaltungspraxis auch auf die Freiheitsrechte Rücksicht nehme, wenn es sich um erfahrene Taucher handle.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie auf die Akte des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

 

1. Die Klage ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, zulässig. Der Kläger besitzt insbesondere die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis, da er geltend machen kann, durch die angefochtene Verfügung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Frage, ob der wasserrechtliche Gemeingebrauch als subjektives öffentliches Recht verstanden werden kann, ist allerdings umstritten, da es auch im Wasserrecht keinen Anspruch des einzelnen Staatsbürgers auf Begründung oder Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs an einem bestimmten Gewässer gibt (vgl. zu dieser Frage Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, 6. Aufl., § 23 RdNr. 10 ff. m. w. N.). Wer einen einmal begründeten Gemeingebrauch ausübt oder ausüben will, kann jedoch ungeachtet dessen verlangen, daß bei Eingriffen in diese Rechtsposition die einschlägigen Vorschriften des formellen und materiellen Rechts beachtet werden, und insoweit auch verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz beanspruchen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.6.1987 - 1 S 1699/86 - VBIBW 1988, 255, 256; im Ergebnis ebenso Urt. v. 13.3.1987 - 5 S 279/86 - VBIBW 1987, 377).

 

Das ferner erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist ebenfalls gegeben. Dem steht nicht entgegen, daß das Landratsamt dem Kläger mit Bescheid vom 19.5.1993 eine Ausnahme vom dem am Teufelstisch bestehenden Tauchverbot erteilt hat, da die Ausnahmegenehmigung bis zum 31.12.1994 befristet war und somit inzwischen außer Kraft getreten ist. Sie war darüberhinaus mit verschiedenen einschränkenden Auflagen versehen und blieb deshalb auch inhaltlich hinter dem zurück, was der wasserrechtliche Gemeingebrauch - der gemäß § 26 Abs. 1 S. 1 WG auch das Tauchen mit und ohne Atemgerät umfaßt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.6.1987, a.a.O.) - dem Kläger an Befugnissen vermittelt.

 

2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die angefochtene Allgemeinverfügung vom 17.2.1994 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger folglich nicht in seinen Rechten.

 

a) Die Verfügung vom 17.2.1994 ist von der zuständigen Behörde erlassen worden und auch ansonsten formell rechtmäßig.

 

Was die Zuständigkeit des Landratsamts betrifft, so ist zwar richtig, daß die Frage, wo im Bereich des Bodensees die Staatsgrenzen der drei Anrainerstaaten Deutschland, Schweiz und Österreich verlaufen, umstritten ist (vgl. zuletzt VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.1.1997 - 2 S 999/94 - VBIBW 1997, 228). Darüber, daß der Überlinger See deutsches Hoheitsgebiet ist, besteht jedoch nach allen dazu vertretenen Auffassungen Einigkeit.

Keine Bedenken begegnet ferner, daß das Landratsamt die auf § 28 Abs. 2 WG gestützte Regelung über die Ausübung des Gemeingebrauchs in der Form einer Allgemeinverfügung und nicht durch eine Rechtsverordnung getroffen hat. § 28 Abs. 2 WG (in seiner Fassung vom 1. Juni 1988) erlaubt eine Beschränkung des Gemeingebrauchs sowohl durch Rechtsverordnung als auch "im Einzelfall" durch Erlaß eines Verwaltungsakts in der Form einer Allgemeinverfügung. Der Erlaß einer Allgemeinverfügung ist danach jedenfalls dann zulässig, wenn es sich nicht um eine abstrakte Anordnung für einen größeren räumlichen Bereich handelt, sondern um eine konkrete, örtlich begrenzte Anordnung (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 13.3.1987, a. a. O. S. 380 f. zu § 28 Abs. 2 WG a. F., der noch keine Bestimmung über die die richtige Handlungsform enthielt). Das Landratsamt hat hiervon ausgehend zu Recht eine Allgemeinverfügung erlassen, da mit der getroffenen Anordnung nicht abstrakt-generell das Sporttauchen im Bereich des gesamten Überlinger Sees oder wesentlicher Teile des Sees verboten wird, sondern nur im Bereich einer bestimmten, eng umgrenzten Stelle, um einer dort angenommenen besonderen Gefahrensituation zu begegnen.

 

b) Die angefochtene Verfügung ist auch materiell rechtmäßig.

 

 

Nach § 28 Abs. 2 WG kann die Wasserbehörde die Ausübung des Gemeingebrauchs aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit regeln, beschränken oder verbieten. Unter den Begriff des "Wohls der Allgemeinheit" fallen nicht nur die Belange der Wasserwirtschaft, sondern auch die Abwehr von (sonstigen) Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 22.6.1987, a. a. O., S. 259 m. w. N.). Bei der Prüfung der Frage, ob das Tauchen im Bereich des Teufelstischs eine solche Gefahr bedeutet, ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß das beklagte Land mit der Allgemeinverfügung vom 17.2.1994 kein neues Tauchverbot in der Form eines Zweitbescheids erlassen, sondern nur das bereits mit der Allgemeinverfügung vom 14.7.1979 angeordnete Verbot ausdehnen wollte. Daran läßt zumindest der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg, durch den die angefochtene Allgemeinverfügung gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ihre maßgebende Gestalt erhalten hat, keinen Zweifel. In diesem Bescheid wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß mit der neuen Verfügung das um das Seezeichen 22 bestehende Tauchverbot lediglich für den östlichen und südöstlichen Bereich von 300 m auf 500 m erweitert und nur in diesem Ausmaß der Gemeingebrauch zusätzlich eingeschränkt werde. Auch wenn das bereits früher verhängte Tauchverbot somit selbst nicht Gegenstand des Verfahrens ist, sondern es nur um eine Ausdehnung der Verbotszone geht, erfordert jedoch die erhobene Klage eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieses Verbots. Denn die Erweiterung eines zu Unrecht verhängten Verbots kann, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend meint, nicht ihrerseits rechtmäßig sein.

 

Das Verwaltungsgericht ist der Ansicht, daß das Tauchen im Bereich des Teufelstischs mit besonderen Gefahren verbunden sei, die das vom Landratsamt ausgesprochene Verbot rechtfertigten. Der Senat teilt diese Beurteilung. Der Teufelstisch besitzt aufgrund seiner geologischen Besonderheiten eine hohe Attraktivität für Sporttaucher und stellt damit auch für solche Taucher, die mit den allgemeinen Gefahren, die das Tauchen im Bodensee begründet, nicht oder nur in geringem Umfang vertraut sind, einen besonderen Anziehungspunkt dar. Dabei besteht insbesondere die Gefahr, daß Taucher dazu "verführt" werden, in größere Wassertiefen vorzudringen, obwohl sie den damit verbundenen körperlichen und psychischen Belastungen nicht gewachsen sind oder nicht über die dafür erforderliche Ausrüstung verfügen. Das hat das Verwaltungsgericht im einzelnen näher ausgeführt. Hierauf kann Bezug genommen werden. Hinzukommt, daß die den eigentlichen Teufeltisch tragende, senkrecht aus der Tiefe aufsteigende Felssäule - im Unterschied zu einem schräg abfallenden Boden - einem Taucher keine Möglichkeit bietet, sich zwischendurch festzuhalten und auszuruhen, was die körperlichen Belastungen entspreche erhöht. Auch der Klägervertreter hat daher eingeräumt, daß der Teufelstisch besondere Anforderungen an einen Taucher stelle. Ausdruck dieser besonderen Situation sind die zu dem Erlaß des Tauchverbots führenden schweren Unfälle, bei denen innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwei Jahren insgesamt sechs Taucher ums Leben gekommen und vier weitere schwer verletzt worden sind.

 

Das vom Kläger für sich reklamierte Recht auf Selbstgefährdung steht der Befugnis des Landratsamts, auf diese Gefahrensituation mit dem Erlaß eines Verbots zu reagieren, nicht entgegen. Ein Recht des Staates, den einzelnen Bürger an ihn ausschließlich selbst gefährdenden Unternehmungen zu hindern, wird allerdings heute, soweit ersichtlich, einhellig verneint. In der Literatur wird dies zum Teil damit begründet, daß es in einem solchen Fall an einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder an einem öffentlichen Interesse für ein behördliches Eingreifen fehle (vgl. Götz, Allgemeines Polizeirecht, 10. Aufl., RdNr. 78; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 2. Aufl., RdNr. 274). Überwiegend wird jedoch damit argumentiert, daß Art. 2 Abs. 1 GG in gewissen Grenzen ein Recht auf Selbstgefährdung gebe (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 230; Mußmann, Allgemeines Polizeirecht in Baden-Würtemberg, 4. Aufl., Rdnr. 173; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 4. Aufl., § 1 Rdnr. 53; v. Münch, Grundrechtsschutz gegenüber sich selbst?, Ipsen-Festschrift, S. 113 ff., 124). Die Grenzen dieses Rechts werden dort gesehen, wo der sich selbst Gefährdende die Tragweite seines Handelns nicht selbst erkennen kann, etwa bei Kindern sowie bei Erwachsenen, wenn sie sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand befinden. Auch nach Ansicht des BVerwG (Urt. v. 27.4.1989 - 3 C 4.86 - BVerwGE 84, 45, 48 f.) schließt das durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht die Befugnis ein, darüber zu entscheiden, welchen Gefahren sich der einzelne aussetzen will, die allerdings in bestimmten Fällen dadurch begrenzt werde, daß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG als Teil der objektiven Wertordnung den Staat verpflichte, seinerseits Leben und körperliche Unversehrtheit seiner Staatsbürger zu schützen.

 

Um eine ausschließliche Selbstgefährdung handelt es sich jedoch entgegen der Ansicht des Klägers im vorliegenden Fall nicht. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, daß Tauchgänge in aller Regel (mindestens) zu zweit ausgeführt werden, da ein von Sporttauchern nahezu ausnahmslos beachteter Grundsatz lautet "Tauche nie allein". Den gemeinsam Tauchenden kommt dabei wechselseitig die Aufgabe zu, auf den anderen zu achten und ihm in einem Notfall Hilfe zu leisten. Ein zu riskanten Unternehmungen neigender, sich selbst überschätzender oder nicht in der erforderlichen Weise ausgerüsteter Taucher bedeutet daher immer auch eine Gefahr für seinen Partner. Dies läßt sich auch anhand der Unfälle, die sich in der Vergangenheit im Bereich des Teufelstischs ereignet haben, zeigen, bei denen ausnahmslos beide Taucher, die an ihnen beteiligt waren, ums Leben gekommen bzw. schwer verletzt worden sind,

 

Leben und Gesundheit anderer Personen werden ferner dadurch gefährdet, daß ein Taucher, der in Not gerät, unbeteiligte Dritte zu gefährlichen Rettungsaktionen veranlassen kann. Eine solche Gefahr für Dritte läßt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht mit dem Argument verneinen, daß die Taucher der Wasserschutzpolizei nach den für sie geltenden Dienstvorschriften nicht tiefer als 20 m tauchen dürfen. Das ist schon deshalb nicht möglich, weil diese Anweisung in Notfällen, in denen Menschenleben auf dem Spiel stehen, keine Gültigkeit besitzt Davon abgesehen ist bei Rettungsversuchen Dritter ohnehin weniger an die Taucher der Wasserschutzpolizei oder anderer Rettungsinstitutionen zu denken, da diese wohl in den meisten Fällen erst in einem Zeitpunkt alarmiert werden können, in dem eine Chance auf Rettung nicht mehr besteht. In Betracht zu ziehen ist vielmehr in erster Linie die Möglichkeit, daß andere in der Nähe (im Wasser oder an Land) befindliche Sporttaucher versuchen könnten, Hilfe zu leisten, und sich dadurch selbst in Gefahr bringen. Damit ist um so eher zu rechnen, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um ein besonders attraktives und dementsprechend "gut besuchtes" Tauchrevier handelt. Dabei liegt schon angesichts des Zeitdrucks auf der Hand, daß ein solcher Rettungsversuch für denjenigen, der ihn unternimmt, ein besonderes Risiko bedeutet.

 

Wie der Unfall vom 5.7.1977, der zu dem ersten, später wieder aufgehobenen Tauchverbot vom 15.7.1977 geführt hat, zeigt, ist auch die Annahme einer Gefährdung Dritter bei möglichen Rettungsversuchen keineswegs "graue Theorie". Bei diesem Unfall kamen zwei Sporttaucher ums Leben, als sie versuchten, die Leichen zweier anderer, zwei Tage zuvor beim Tauchen am Teufelstisch tödlich verunglückter Kameraden zu bergen. Zwei weitere Taucher wurden bei dem gleichen Versuch schwer verletzt. Der Umstand, daß es bei diesem Vorfall nicht darum ging, einen vielleicht noch am Leben befindlichen Taucher zu retten, nimmt ihm nichts von seiner Aussagekraft, da man sich den gleichen (tödlichen) Ausgang auch in einem solchen Fall unschwer vorstellen kann.

 

Begründet das Tauchen im Bereich des Teufelstischs somit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, so stand es im Ermessen der Wasserbehörde, Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahr zu ergreifen. Von diesem Ermessen hat das Landratsamt fehlerfrei Gebrauch gemacht. Das von ihm ausgesprochene Verbot verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach Ziff. 2 der Allgemeinverfügung vom 14.7.1979 können von dem Tauchverbot im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden. Wie die Vertreter des beklagten Landes in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen erklärt haben, wird diese Regelung dahin gehend gehandhabt, daß ein Taucher eine solche Ausnahme ohne weiteres erhält, sofern er gesund ist und über eine gewisse Taucherfahrung verfügt. Von jährlich etwa 200 gestellten Anträgen auf eine Ausnahme würden daher nur zwei bis drei Prozent abgelehnt. Zweck des angeordneten Verbots ist es demgemäß nicht, das Tauchen im Bereich des Teufelstischs schlechthin zu unterbinden. Bezweckt wird vielmehr lediglich die Einführung einer präventiven Kontrollmöglichkeit. Dies ist angesichts der am Teufelstisch bestehenden besonderen Gefahren nicht zu beanstanden.

 

Der Senat vermag demnach nicht festzustellen, daß das vom Landratsamt ausgesprochene Tauchverbot zu Unrecht besteht. Hiervon ausgehend bestehen gegen die mit der angefochtenen Verfügung vorgenommene Ausdehnung dieses Verbots, deren Ziel es ist, seine Umgehung zu verhindern, ebenfalls keine Bedenken.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

 

 

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

 

Rechtsmittelbelehrung

 

 

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

 

 

Die Beschwerde ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen.

 

 

 

Die Beschwerde muß das angefochtene Urteil bezeichnen.

In der Begründung der Beschwerde muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

 

Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muß sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.

 

Prof. Dr. Schmidt Schenk Rieger

 

 

 

 

Beschluß

 

 

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 GKG auf 8.000 DM festgesetzt.

 

 

Der Beschluß ist unanfechtbar.

 

 

Prof. Dr. Schmidt Schenk Rieger