Südkurier Nr. 153 vom 7.7.1977, 33. Jahrg., Seite 11



Taucherdrama noch ungeklärt - Suche nach Vermißten eingestellt

Bergungsaktion stand von Beginn an unter unglücklichem Stern - Wasserschutzpolizei übergab Ermittlungsergebnis an die Kripo


Von SÜDKURIER-Redakteur Guido H. Frick

Konstanz-Wallhausen. Die Wasserschutzpolizei Konstanz hat gestern am sogenannten Teufelstisch vor Wallhausen die Ermittlungen aufgenommen. Die Ursachen, die innerhalb von drei Tagen zu zwei tragischen Unglücksfällen führten, bei denen vier Sporttaucher in etwa 80 Meter Wassertiefe ihr Leben verloren, liegen noch völlig im Dunkeln. Weder besteht Klarheit darüber, was den beiden 27jährigen Tauchern Eberhard Keller und Wolfgang Kurz bei einem Tauchgang am vergangenen Sonntag widerfahren ist, noch ist geklärt, was das Verhängnis bei der Bergungsaktion, bei der der 45jährige Egon Frey und der 29jährige Heinrich Falger tödlich verunglückten, heraufbeschworen hat. Während die beiden Toten vom Dienstagabend geborgen sind, fehlt von jenen beiden, deretwegen die Bergungsaktion gestartet wurde, noch immer jede Spur. Angesichts der tragischen Ereignisse hat nun gestern das Landratsamt angeordnet, daß vorerst nicht weiter gesucht werden darf.

Die Wasserschutzpolizei hat noch gestern ihr Ermittlungsergebnis über das Taucherdrama an die Kriminalpolizei weitergeleitet. Die Kripo wiederum wird die Unterlagen der Staatsanwaltschaft aushändigen. Danach ist zu erwarten, daß eine Obduktion der Leichen beim Gerichtsmedizinischen Institut in Freiburg angeordnet wird. Erst dann wird man wissen, was zum Tod der beiden Mitglieder der Bergungsmannschaft geführt hat. Tatsache indes ist, daß die Bergungsaktion von Anfang an unter einem unglücklichen Stern stand.

Das Unglück begann am vergangenen Sonntag um 12.35 Uhr. Zwei 27jährige Taucher, Eberhard Keller und Wolfgang Kurz aus Hirrlingen (Zollern-Alb-Kreis), starteten zu einem Tauchgang, bei dem sie am sogenannten Teufelstisch vor Wallhausen 70 oder 80 Meter tief vordringen wollten. Nach einer halben Stunde wollten sie zurückkehren. Sie kamen nicht.

Einige Zeit später - man spricht von 90 Minuten - wurde von privater Seite eine Suchaktion eingeleitet, die ergebnislos verlief. Gegen 18 Uhr ist schließlich die Wasserschutzpolizei verständigt worden. Die hatte aus personellen Gründen Schwierigkeiten Taucher abzustellen. Dazu Oberkommisar Rehm: "Für eine Rettungsaktion war es ohnehin schon viel zu spät. Wir hätten also nur noch eine Bergungsaktion einleiten können. Dabei aber sind unsere Mittel begrenzt: laut einer Dienstvorschrift dürfen wir nur 15 Meter tief, in Ausnahmefällen 20 Meter tief tauchen."

Mittlerweile war vom Bruder eines der Verschollenen der Ravensburger Tauchclub alarmiert worden, dem Eberhard Keller und Wolfgang Kurz angehörten. Zehn Ravensburger Taucher reisten am Montag an, um die Bergungsaktion aufzunehmen, da es für sie nicht ungewöhnlich ist, 80 oder 90 Meter tief zu tauchen.

Technische Hilfe erhielten sie sowohl am Montag als auch am Dienstag von Beamten der Wasserschutzpolizei, die ein Polizeiboot zur Verfügung stellte.

Nachdem die Suche am Montag ergebnislos verlief, einigten sich die Wapo-Beamten und die Sporttaucher, die Aktion am Dienstagabend um 18 Uhr fortzusetzen. Dieser späte Termin kam laut Wapo-Auskunft deshalb zustande, weil die Ravensburger Sporttaucher tagsüber berufstätig sind.

Doch drei Mitglieder des Ravensburger Aufgebotes nahmen sich den Dienstag frei, um schon vormittags die Suche fortzusetzen - zwei davon starben am Abend im Bodensee. Das Trio legte morgens Bojen aus, um den Abendeinsatz zu erleichtern.


Ärzte bemühten sich umsonst

Um 18 Uhr war die Bergungsmannschaft - Wapo-Beamte und Sporttaucher - wieder in voller Besetzung am Teufelstisch. Das Polizeiboot diente als Stützpunkt. Das Trio, das den ganzen Tag anwesend war, hielt sich indes auf einem Arbeitsboot auf.

Von diesem Boot aus starteten Egon Frey und Heinrich Falger als letzte Gruppe. Zuvor, zwischen 18 Uhr und 19.30 Uhr, waren von deren Kameraden zwei erfolglose Tauchgänge, die jeweils etwa 40 Minuten dauerten, absolviert worden. Gegen 19.30 Uhr machten sich Egon Frey und Heinrich Falger zu einem Einsatz bereit, mit dem man die Suche für diesen Tag abschließen wollte. Beide waren schon vormittags 70 Meter tief getaucht und trauten sich einen erneuten Einsatz zu.

Oberkommissar Rehm: "Das ist durchaus vertretbar. Schließlich waren beide sehr erfahrene Taucher, Egon Frey hatte sogar eine der höchsten Taucher- Qualifikationen, den Moniteur, der berechtigt, andere zum Sporttaucher auszubilden."

Um 20.25 Uhr schlug der sogenannte "Schnorchler", ein Taucher, der an der Wasseroberfläche die aufsteigenden Blasen beobachtet, die erkennen lassen, ob alles normal verläuft, Alarm: Die Zahl der Blasen nahmen rapide ab, dies in einer Phase, da - wie vermutet wird - Frey und Falger bereits beim Auftauchen waren.

An Bord des Polizeibootes indes waren die zurückgebliebenen Kameraden gerade dabei, ihre Taucherausrüstungen abzulegen, denn sie hatten ihre Einsätze hinter sich. In einem dramatischen Wettlauf mit der Zeit bereiteten sie sich auf den Rettungseinsatz vor. In 90 Meter Wassertiefe entdeckten sie Egon Frey und Heinrich Falger - beide lagen bewegungslos auf dem Grund des Bodensees. Bei der Bergung blieb dem Quartett keine Zeit, auf den Druckausgleich zu achten. Die vier beteiligten sich an Bord sogar noch an den Wiederbelebungsversuchen, bis das Wallhauser Ufer erreicht war, wo sich mehrere Ärzte, darunter ein Taucherarzt, der Geborgenen annahmen. Die vier Rettungstaucher selbst kamen ins Krankenhaus.

Die verzweifelten Anstrengungen der Ärzte waren umsonst. Egon Frey und Heinrich Falger waren tot.



BERGUNGSAKTION am Teufelstisch: In der Bildmitte Heinrich Falger und Egon Frey, die wenig später, nachdem diese Aufnahme entstand, bei ihrem Einsatz ums Leben kamen.
Bild: Schultz-Friese




Schock - aber außer Lebensgefahr

Rettungstaucher wieder aus dem Krankenhaus entlassen


kof. Die vier Taucher, die am Dienstagabend in einer dramatischen Rettungsaktion beim Teufelstisch vor Wallhausen zwei tote Kameraden geborgen haben, sind außer Lebensgefahr. Alle vier waren, zum Teil in Druckkammern, ins Städtische Krankenhaus eingeliefert worden, doch konnten drei der Sporttaucher gestern wieder entlassen werden. Der vierte wurde noch zur weiteren Beobachtung dabehalten.

Die vier an der Bergung beteiligten Taucher befanden sich, als sich das Unglück ereignete, auf einem Boot der Wasserschutzpolizei, um sich umzuziehen, da sie ihre Einsätze hinter sich hatten. Zwei ihrer Kameraden indes waren noch unter Wasser. Dann kam die Alarmmeldung. Die vier Taucher legten in höchster Eile wieder ihre Ausrüstung an, und drangen bis auf 70 Meter Tiefe vor, um ihre beiden Kameraden zu Hilfe zu kommen. Sie fanden beide bewegungslos auf dem Grund des Bodensees.

Nach der Bergung beteiligten sich die vier sogar noch an den - erfolglosen - Wiederbelebungsversuchen, zunächst auf einem Arbeitsboot, dann auf dem Polizeiboot, das mit Höchsttempo nach Wallhausen fuhr. Dort waren bereits Ärzte und Sanitäter eingetroffen, die sich der beiden geborgenen Taucher annahmen.

Die vier an der Bergung beteiligten wurden indessen auf Anraten eines Konstanzer Taucherarztes sofort ins Krankenhaus gefahren. Sie waren bei der Bergung auf Grund der Umstände zu schnell aufgestiegen. Jene zwei, die unter dem zu schnellen Auftauchen am meisten litten, kamen zu Behandlung in zwei Druckkammern - die eine gehörte der Wasserschutzpolizei, die andere war vom Ravensburger Tauchclub mitgebracht worden. So konnte bei zweien noch während der Fahrt ins Krankenhaus für den notwendigen Druckausgleich gesorgt werden.

Durch die hervorragende Organisation, die eine schnelle Einweisung ins Krankenhaus ermöglichte, blieben schwere Schäden wie die Caisson-Krankheit - die sogenannte Taucherkrankheit - welche sich normalerweise erst drei Stunden nach dem Auftauchen bemerkbar macht, aus. Diese Krankheit kann zu vorübergehenden Lähmungen führen, sie kann aber auch den Tod zur Folge haben.

Die vier Rettungstaucher kamen mit einem schweren Schock davon.
ghf




EINE DER DRUCKKAMMERN, in welcher die Taucher, die bei der Bergungsaktion im Einsatz waren, ins Städtische Krankenhaus transportiert wurden.
Bild: Paproth




Nie mehr zum Teufelstisch

Wallhauser Bürger erschüttert - Trauer um die Taucher


kod. "Hunderte von Sporttauchern kommen in jedem Sommer und auch im Winter nach Wallhausen, um am Teufelstisch zu tauchen. Die Sporttaucher stammen aus dem benachbarten Ausland, aus dem gesammten Bodenseegebiet, aus Frankreich. Immer wieder berichten sie nach ihren Tauchtouren am Teufelstisch, wie herrlich das war, was sie dort unter Wasser gesehen haben", weiß der 52jährige Dettinger Monteur Lothar Rechner zu berichten.

Schon jahrelang fährt der gebürtige Dettinger, der in Wallhausen aufgewachsen ist, die Sporttaucher auf Wunsch mit seinem Arbeitsboot "Lauen" zum Teufelstisch hinaus.

Die beiden, seit Sonntag verschollenen Sporttaucher aus Hirrlingen, seien jedoch zu Fuß von Wallhausen am Ufer entlang zu dem beliebten Tauchgebiet gelaufen. Lothar Rechner: "Vielleicht ist das Unglück deshalb geschehen, weil sie von dem Fußmarsch überhitzt waren und dann getaucht haben, aber das ist nur eine Vermutung." Der Dettinger kann auch nicht sagen, wo eigentlich der Name "Teufelstisch" für die Felsnadel herrührt. "Jetzt ist der Teufelstisch zum Mordtisch geworden", sagt der 52jährige Monteur nach den Geschehnissen der vergangenen Tage. Sie erschüttern ihn umsomehr, als er mit den bei der Bergungsaktion am Dienstag verunglückten Sporttauchern aus Ravensburg sehr gut bekannt war.

Lothar Rechner hat selbst nie am Teufelstisch getaucht. Aber die Sporttaucher, die er hinausgefahren hat, ließen ihn in begeisterten Schilderungen erkennen, wie fasziniert sie von diesem Seegebiet sind. Auch die Tochter und der Schwiegersohn des Dettinger Monteurs haben schon am Teufelstisch getaucht. Lothar Rechner: "Beide wollen dort nicht mehr tauchen, wenn die Leichen der beiden vermißten Sporttaucher nicht geborgen werden."

Obwohl vor den Ereignissen am Sonntag nach Angaben des 52jährigen Monteurs am Teufelstisch noch nie ein Taucher ums Leben gekommen ist, will er mit seinem Arbeitsboot "Lauen", das bei der Bergungsaktion im Einsatz war, keine Taucher mehr zum Teufelstisch hinausfahren.




DAS UNFALLGEBIET im Überlinger See: Beim sogenannten Teufelstisch, einer Felsnadel, ist der Bodensee ca. 90 Meter tief.
Zeichnung: Kunemann




ZWISCHEN WALLHAUSEN UND DER MARIENSCHLUCHT liegt der sogenannte Teufelstisch (Kreuz), bei dem innerhalb von drei Tagen vier Sporttaucher ums Leben kamen.
Luftbild: Sokolowski (Nr. 38/1657)




Taucher-Paradies:

Teufelstisch - noch kaum erforscht

kod. Die tragischen Ereignisse am Teufelstisch haben viele Fragen nach der Beschaffenheit dieses beliebten Taucherziels im Bodensee aufgeworfen. "Dieses Gebiet ist noch kaum erforscht. Es gibt keine genaue Seekarte," so Dr. Ulrich Einsle, Mitarbeiter des Staatlichen Instituts für Seenforschung und Fischereiwesen Konstanz-Staad (Max-Auerbach-Institut).

Nach Beschreibungen von Dr. Einsle handelt es sich beim Teufelstisch um eine Felsnadel aus Molasse, die zwischen Wallhausen und der Marienschlucht, etwa 1600 Meter von Wallhausen entfernt liegt. Auf der Felsnadel, die mit einer Plattform von etwa 20 Meter Durchmesser abschließt, ist das Seezeichen 22 angebracht. Der Abstand vom Ufer zur Felsnadel beträgt etwa 30 bis 40 Meter.

"Zwischen Ufer und Felsnadel ist eine relativ tiefe Wasserrinne von etwa 30 bis 40 Meter Tiefe. Seewärts fällt die Felsnadel fast senkrecht ins Wasser ab," schildert Dr. Ulrich Einsle. Nach Berichten von Tauchern, die vor einigen Jahren am Teufelstisch nach Dreikantmuscheln geforscht haben, soll es an der Felsnadel Überhänge geben mit kleinen höhlenähnlichen Nischen. "Vielleicht waren diese höhlenähnlichen Nischen die Ursache für das Unglück. Vielleicht sind die Taucher dort steckengeblieben?", vermutet der Mitarbeiter des Instituts für Seenforschung. Es sei bekannt, daß Taucher in ganz kurzen Abschnitten Tiefen bis 80 und 100 Meter erreichen.

Die Felsnadel im Überlinger See zwischen Wallhausen und Bodman ist eine einmalige Besonderheit im Bodensee. Die Entstehung wird auf tektonische Vorgänge (Grabenbruch) zurückgeführt. Mit zunehmender Tiefe nimmt die Dichte der Besiedlung an der Felsnadel mit Algen und Muschelgetier ab.

Dr. Ulrich Einsle: "Dieser steile Abfall des Bodenseeufers am Teufelstisch ist eine Besonderheit und vielleicht deshalb für Sporttaucher besonders reizvoll. Hier kann der Taucher auf engstem Raum und in der Vertikalen all das sehen, was man im Bodensee zwischen Ufer und Halde sonst nur sehr weiträumig beobachten kann."

Die Plattform der Felsnadel ist nur bei einem Wasserstand von etwa 2,60 Metern zu sehen. Der tiefste Wasserstand des Bodensees mit 2,38 Meter wurde zuletzt im März 1972 gemessen. Bei diesem Pegelstand - er war nur in den Jahren 1858, 1909, 1949 und 1963 gemessen worden - ragte auch der Teufelstisch aus der Wasseroberfläche. Der Wasserstand des Bodensees betrug gestern 4,07 Meter.
sd.






Südkurier Nr. 153 vom 7.7.1977, 33. Jahrg., Seite 12





DIE UNFALLSTELLE: Hier tauchten Wolfgang Kurz und Eberhard Keller, die seit Sonntag verschollen sind. Das Seezeichen 22 ist direkt auf der Plattform angebracht, die die Felsnadel - Teufelstisch genannt - abschließt.
Bilder: Schultz-Friese




Parallele vor Überlingen

Vor drei Jahren ...

ues. Eine Taucher-Tragödie, die zwei Todesopfer forderte unter fast gleichen Voraussetzungen, wie bei dem Unglück am Teufelstisch bei Wallhausen, ereignete sich vor drei Jahren am Überlinger Ufer. Sporttaucher hatten am 23. März 1974 in 45 Meter Tiefe vor dem Überlinger Campingplatz eine Leiche entdeckt. Beim ersten Bergungsversuch kam der 31 Jahre alte Überlinger Polizeiobermeister Peter Eckert ums Leben. Er war mit einem Sporttaucher in 45 Meter Tiefe getaucht, hatte die Leiche an einer Leine befestigt und war mit ihr wieder in die Tiefe abgesackt.

Am Tag darauf fand der 32 Jahre alte Reutlinger Sporttaucher Karl-Heinz Hanke am gleichen Ort den Tauchertod. Er war - sozusagen vor den Augen vor Frau und Kind - die er zu einem Ausflug des Reutlinger Tauchclubs zum Campingplatz Überlingen mitgenommen hatte - nicht mehr aufgetaucht. Karl-Heinz Hanke hatte mit einem Clubkameraden einen Tauchabstieg unternommen, um nach der Leiche und dem ertrunkenen Polizeibeamten zu suchen. In 45 Meter Wassertiefe verlor der Begleiter Karl-Heinz Hanke aus den Augen und schlug Alarm. Vergebens.

Die Uferzone beim Überlinger Campingplatz zählt ebenso wie der sogenannte "Teufelstisch" bei Wallhausen zu den weitbekannten und bevorzugten Orten am Bodensee für Tauchereinsätze. Sehr oft kommen deshalb Tauchsportvereine aus Süddeutschland, aus Frankreich und der Schweiz in den Überlinger See, wo sich am Überlinger Campingplatz für Taucher interessante geologische Formationen bieten: steilabfallende Halden, zum Teil mit höhlenartigen Einbuchtungen in der Felswand.



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