Südkurier vom 21.7.1979, Seite 1



Auf dem Seegrund entdeckt

KONSTANZ (Eigenbericht) Die Leichen der beiden seit dem 8. Juli am sogenannten "Teufelstisch" im Bodensee vermißten Hobbytaucher sind gestern bei Sucharbeiten mit einer Unterwasserfernsehkamera in 81 Meter Tiefe entdeckt worden. Beide Leichen wurden geborgen. (siehe Bericht im Innern des Blattes.)


Südkurier vom 21.7.1979, Seite 15



Nach zehnstündigem Einsatz:

Beide Taucher tot geborgen

Vermißte vom Teufelstisch: Leichtsinn führte zu dem Unglück


kob. Die beiden seit vergangenen Sonntag vermißtem Taucher vom Teufelstisch bei Wallhausen sind am Freitag tot geborgen worden. Die Südwest-Nautic Keppler GmbH aus Freiburg-Opfingen und die Freiburger Tauchsportgruppe Pinguine haben nach fast 20stündigem Einsatz am Donnerstag und Freitag die Leichen aus einer Tiefe von fast 90 Meter emporgeholt. Das Unglück ist nach Ansicht der Sporttaucher und der beteiligten Bergungsfachleute eindeutig auf Leichtsinn, unfachmännisches Verhalten und Unterschätzung der Tücken des Teufelstisches zurückzuführen. Schon im Mai 1977 waren an dieser Stelle vier Taucher kurz hintereinander ertrunken. Das Tauch- und Bergungsunternehmen Südwest-Nautic, von der Kripo mit der Leitung der Bergung beauftragt, schließt trotz Tauchverbotes weitere Unglücksfälle nicht aus.

Die beiden gestern tot geborgenen Taucher, 28 und 35 Jahre alt und Mitglieder des Schramberger Tauchsportclubs "Koralle", waren am Sonntag, 8. Juli, von einem kleinen Boot direkt über dem Teufelstisch, eine rund 80 Meter hohe Felsnadel unter der Wasseroberfläche, ins Wasser gestiegen. Ihre Frauen schauten ihnen von Land aus zu, wie sie untertauchten. Der Sauerstoffvorrat der Flaschen reichte jeweils für 45 Minuten. Als nach einer Stunde keiner der beiden Männer wieder aufgetaucht war, schlugen die Frauen Alarm. Nach einer ergebnislos verlaufenen Suche am Ufer begannen Sporttaucher der Deutschen Lebens-Rettungs- Gesellschaft die Oberfläche des Teufelstisches abzusuchen. Erst spät in der Nacht war die Suche abgebrochen worden.

Nachdem auch am nächsten Tag keine Spur von den vermißten Tauchern zu finden war, beauftragte die Kriminalpolizei die Südwest-Nautic, zusammen mit den Pinguinen die Suche und Bergung vorzubereiten. Sie hatten auch schon vor zwei Jahren die ebenfalls am Teufelstisch ertrunkenen Taucher geborgen.

Bei der Bergungsaktion bedienten sich die 13 Mann starke Truppe modernster, zum größten Teil selbst hergestellter Geräte (siehe Bericht auf dieser Seite). Am Freitagvormittag war die erste Leiche der Besatzung der Wasserschutzpolizei Überlingen übergeben worden. Jedoch erst gegen 20 Uhr konnte die zweite Leiche an Land gebracht werden und die Taucher ihre Arbeit beenden.

Wie sich herausstellte, waren es vor allem Leichtsinn, unfachmännisches Verhalten und Unterschätzung der Tücken des Teufelstisch, die das Unglück herbeiführten. Die Taucher hatten keine Leinenverbindung mit Personen an Land oder auf dem Boot hergestellt, wie dies nach Ansicht des Bergungsexperten an solchen Stellen wie dem Teufelstisch unbedingt erforderlich ist. Südwest- Nautic-Geschäftsführer und Pinguin-Mitglied Klaus Keppler: "Ich würde hier nie ohne Leine tauchen." Außerdem hatten die beiden Taucher nach seiner Ansicht viel zu viel Blei umgeschnallt, rund sieben bis acht Kilo. Keppler: "Wenn man auf Tiefen in bis zu vierzig Meter zu tauchen plant, darf man allenfalls ein bis zwei Kilo mitführen, bei Tiefen bis zu 90 Meter höchstens ein Kilo, am Besten gar nichts." Das Blei war zudem unfachmännisch unter das Sauerstoffgerät geschnallt und nicht als Abwurfgürtel.

Offenbar hatten sich die Verunglückten auf ihre Rettungswesten verlassen, die der Taucher im Ernstfall automatisch aufpumpen lassen kann. Nur, so Keppler, in solcher Tiefe funktioniere sie nicht mehr, der Wasserdruck sei stärker als der Aufpumpdruck der Preßluftpatrone. Einer der Taucher hatte nach ersten Ermittlungen keine Kopfbedeckung getragen. Bei ihm können schon nach einer Tiefe von mehr als 30 Metern Schockwirkungen eingetreten sein: das Wasser kühlt sich bis dort auf 4,5 Grad Celsius ab. Taschenlampen hat die Bergungsmannschaft bei ihrer Suche ebenfalls nicht gefunden. Schon ab 40 Meter Tiefe sei es jedoch "stockfinster".
bär




MIT EINEM FERNGESTEUERTEN GREIFARM wurde dieser tote Taucher geborgen. Seit 12 Tagen lag er 81 Meter tief unter der Wasseroberfläche des Bodensees.
Bilder: Margit Schmeckenbecher




MIT HILFE EINER UNTERWASSERKAMERA mußte die Sporttauchergruppe "Pinguin" aus Freiburg den berüchtigten "Teufelstisch" im Bodensee bei Wallhausen absuchen. Unser Bild zeigt den Monitor an Bord eines der Rettungsboote.




MÜHSAME KLEINARBEIT mit vier Booten vor dem Ufer von Wallhausen.



90 Meter Tiefe: Es war eine nervenaufreibende Arbeit

Nach Vermessung mit dem Sedimentlot wurde eine Fernsehkamera eingesetzt - 650-Watt-Scheinwerfer


kob. "Wir sind völlig fertig. Eine solch nervenaufreibende Bergung haben wir selten miterlebt." Die 13 Pinguine waren sichtlich erschöpft, als sie von ihrem zehnstündigen Einsatz am Teufelstisch vor dem Ufer von Wallhausen mit ihren vier Booten zurückgekehrt waren. Aber sie wollten unbedingt noch gestern die Bergung erfolgreich abschließen, obwohl kurz nach 17 Uhr die zweite Leiche in nur noch 20 Meter Tiefe wieder auf den 90 Meter tiefen schlammigen Grund sank. Klaus Keppler aus Freiburg, Leiter der Bergungsaktion: "Wir wollten verhindern, daß noch übereifrige, waghalsige Taucher auf eigene Faust in die Tiefe steigen." Und in der Tat, sogar während der Bergungsarbeit wollte ein Taucher vom Ufer aus ins Wasser steigen...

Die Tauchsportgruppe Pinguine und das Tauch- und Bergungsunternehmen Südwest- Nautic Keppler aus Freiburg hatten modernstes Gerät eingesetzt: Sedimentlot mit Schreiber, Fernsehkamera mit dem dazugehörigen Monitor, Winde, starke Scheinwerfer, Greifer. Warum sind sie, so routinierte Taucher, nicht einfach selbst ins Wasser gestiegen und haben mit eigenen Augen gesucht? "Selbst zu tauchen wäre bei dieser Tiefe viel zu riskant gewesen. Die Taucher hätten sich bei ihrer Unterwasserarbeit verheddern können und vieles mehr. Da waren unsere technische Hilfsmittel viel wirkungsvoller", sagte Keppler, den der SÜDKURIER am späten Abend in Wallhausen noch befragte.

Am Donnerstagmorgen hatten sie begonnen. Allein vier bis fünf Stunden hatten die Vorbereitungsarbeiten in Anspruch genommen. Dann fuhren die Boote zu der mutmaßlichen Unglücksstelle, dem Teufelstisch. Mit dem Sedimentlot wurde der Seegrund in einer Breite von 200 Metern zum Ufer Meter für Meter vermessen: Vom Ufer zieht er sich zunächst 80 Meter breit in einer Tiefe von 2 bis 3 Meter hinaus. Dann folgt eine Schlucht, 27 Meter tief, am oberen Rand 8 Meter breit, unten nur 1,50 Meter. Daran anschließend vermaß die Bergungsmannschaft den Teufelstisch, eine Felssäule, die etwa 30 Quadratmeter Grundfläche hat und seeseitig mit einem leichten Überhang auf 80 Meter Tiefe abbricht. Ein Überhang, an dem sich kein Taucher festhalten kann, so glatt sei er, versicherte Keppler.

Noch am Donnerstagnachmittag konnten die Pinguine ihre Vermessungsarbeit beenden. Doch dann begannen die Schwierigkeiten. "Wir wußten ja nicht, wo die Taucher ertrunken sein könnten, wir wußten nur, daß sie am Teufelstisch ins Wasser gestiegen waren." So wurde die Fernsehkamera abgesenkt, bestückt mit zwei 650 Watt starken Scheinwerfern. Die Energie lieferten zwei Bordgeneratoren. Das Boot wurde mit einer Leine am Seezeichen genau auf dem Teufelstisch als Fixpukt festgemacht.

Zunächst wurde die Schlucht abgesucht - ohne Ergebnis, dann in Halbkreisen von zwei Metern Abstand die Umgebung des Teufelstisches. In rund 90 Meter Tiefe gestaltete sich die Suche "sehr, sehr schwierig. Das Gelände ist sehr uneben, im schlammigen Grund liegen Felsbrocken", und so gingen drei Scheinwerfer zu Bruch, einmal fiel die Kamera wegen Wassereinbruchs aus. Doch mit Bordmitteln konnten die Schäden behoben werden. Die Sicht betrug etwa sechs Meter. Nach 33 Bahnen am Freitagmorgen, nachdem die Suche am Donnerstag um 21 Uhr abgebrochen worden war, war die erste Leiche entdeckt. Sie lag in etwa 94 Meter Tiefe leicht auf der Seite. Die Kamera

(Fortsetzung nächste Seite)


Südkurier vom 21.7.1979, Seite 16



In 90 Meter Tiefe...

(Fortsetzung)

wurde hochgezogen, der dreizackige, mittels einer Leine zu öffnende und zu schließende Greifer befestigt. "Es dauerte fast zwei Stunden, bis wir den Greifer in Position hatten. Der Taucher war in eine Spalte eingezwängt. Doch dann griff ein Zacken die Flosse."

Etwa gegen 15 Uhr konnte die Suche nach dem zweiten Taucher beginnen. Er wurde etwa 20 Meter entfernt gefunden. "Dann begann ein echtes Nervenspiel auch für uns geübte Bergungsleute. Es kam Wellengang auf, die Lage des Tauchers war sehr schwierig." Doch es gelang den Bergungsleuten auch ihn an einer Flosse zu greifen. 20 Meter unter der Oberfläche passierte es jedoch, daß die Leiche wieder auf den Grund versank. Nochmal dauerten die Arbeiten fast zwei Stunden.

An Land empfing die erschöpfte Mannschaft Lob und Anerkennung. Es war ein selbstloser Einsatz der 13 Leute: Pro Tag erhält Keppler 2400 Mark. "Wir haben uns eingesetzt, weil wir uns unseren Kameraden und ihren Angehörigen verpflichtet fühlen."
bär




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