Südkurier vom 23.7.1979, Seite 11



Bergung der Taucher ergab:

Preßluftflaschen leergeatmet

Zuviel Blei am Körper - Schrecklicher Todeskampf


KONSTANZ (bär). Die beiden am Freitag aus dem Bodensee tot geborgenen Taucher vom berüchtigten Teufelstisch bei Konstanz-Wallhausen sind aller Voraussicht nach ertrunken. Der SÜDKURIER berichtete darüber am Samstag. Wie die Bergungsmannschaft festgestellt hat, waren die Preßluftflaschen leergeatmet, und einer der beiden Taucher hatte auch noch den Luftvorrat seiner Rettungsweste verbraucht. Unter Wasser muß sich ein dramatischer Kampf um Leben und Tod abgespielt haben. In völliger Finsternis muß es beiden nicht gelungen sein, ihre entgegen allen Regeln unter die Gerätegurte geschnallte Bleigewichte abzuwerfen.

Vermutlich hatten die Verunglückten nicht einmal Taschenlampen bei sich. Der See wird ab 30 bis 40 Meter stockfinster. Außerdem waren sie mit 7 bis 8 Kilo Zusatzgewichten "überbleit", wie es in der Tauchersprache heißt. Aus eigener Kraft konnten sie so nicht aufsteigen. Solches Gewicht wird genommen, um schnell auf Tiefen von vier bis fünf Meter zu kommen. In Tiefen von 90 Meter soll man gar kein Gewicht oder mindestens einen Wegwerfgurt benutzen.

Vermutlich wollten die Taucher gar nicht so tief absteigen. Aber offensichtlich sind sie sehr rasch abgesunken. Es ist anzunehmen, daß ihr Todeskampf früh einsetzte, als sie merkten, auf welche Tiefe sie gekommen waren.

Die beiden tot geborgenen Taucher, 28 und 35 Jahre alt und Mitglieder des Schramberger Tauchsportclubs "Koralle", waren am Sonntag, 8. Juli, von einem kleinen Boot direkt über dem Teufelstisch, einer rund 80 Meter hohen Felsnadel unter der Wasseroberfläche, ins Wasser gestiegen.

Nach der komplizierten und schwierigen Bergungsarbeit mit zwei 650-Watt- Scheinwerfern, Fernsehkamera und ferngesteuertem Greifer stand für die Bergungsmannschaft fest: Nach dem Bleigewicht von 7 bis 8 Kilo zu urteilen, wollten die beiden gar nicht so tief absteigen. Doch das Gewicht, geeignet für eine Tiefe von vier bis fünf Metern, zog sie vermutlich ziemlich schnell bis auf den 94 Meter tiefen Grund. In solche Tiefen sollen Taucher allenfalls mit einem Gewicht bis zu höchstens einem Kilo absteigen. Aus eigener Kraft konnten sie jedoch so nicht mehr hochtauchen. Und sie hatten versäumt, eine Leinenverbindung zum Boot herzustellen, beim Tauchen in größere Tiefen oberstes Gebot. Allein schon zur Signalgabe. Außerdem hatten sie die Bleigurte nicht, wie Ausbilder immer lehren, über, sondern unter die Gerätegurte geschnallt. Auf Wegwerfgurte hatten sie ebenfalls verzichtet. Ein erfahrener Taucher vermag auch das Problem zu lösen, aber in möglicher Panik schafften die Verunglückten das nicht mehr. Auch hatten die Rettungswesten versagt. Zwar waren die Ventile geöffnet, aber in diesen Tiefen scheint ihre Funktionstüchtigkeit problematisch. Bei der Bergung sahen die Helfer auf ihrem Monitor, wie sich die Rettungsweste eines Tauchers erst in ca. 25 Meter Tiefe auffüllte.

Mögliche Versuche, sich von ihrem tödlichen Bleigewicht zu befreien, wurden zudem von der in dieser Tiefe herrschenden totalen Finsternis erschwert. Die Ertrunkenen hatten ganz offensichtlich keine Taschenlampen bei sich gehabt. Einer der Taucher, der Erfahrenere, hatte außerdem keine Kopfbedeckung: vermutlich erlitt er einen Kälteschock bei knapp 5 Grad Wassertemperatur.


Tauchverbot?

Tauchen ist zu einem beliebten Sport für "harte Männer" und "mutige" Frauen geworden. Nachdem einst so tolle oder harte Sportarten wie Skilauf, Tennis, Bergsteigen oder Surfen zum Breitensport wurden, der von jedermann ausgeübt wird oder werden kann, müssen für die persönliche Note sportlicher Zeitgenossen anderer Nervenkitzel und Erlebnisgefühle aktiviert werden: Drachenfliegen, Wellenreiten und eben Tauchen. Beim Ausüben dieser Sportarten können aber schon kleinste Fehler verheerende Wirkungen zeigen.

Der Unglücksfall am Teufelstisch ist tragisch, aber die beiden verunglückten Taucher haben nahezu alle Fehler begangen, die einem Taucher unterlaufen können, wie sich am Freitag herausstelle. Ist es deshalb sinnvoll, wenn das Landratsamt dort das eilig ausgesprochenen Tauchverbot aufrechterhält? Es lag, das scheint festzustehen, nicht am Teufelstisch, daß die beiden Taucher ums Leben gekommen sind. Und das Tauchverbot könnte sogar noch Anziehungskraft auf ehrgeizige oder waghalsige Taucher ausüben. Das glaubt auch die in solchen Dingen erfahrene Bergungsfirma. Schließlich können solche Verbote gar nicht überwacht werden.

Also ist das Verbot im Hinblick auf sein lebenserhaltendes Moment ziemlich sinnlos und das Landratsamt macht es sich damit etwas zu leicht. Um aber dennoch Unglücksfälle zu verhindern, müssen andere Wege beschritten werden. Sie heißen einmal: Bessere Ausbildung der Tauchsportwilligen, ständiger Hinweis auf die Gefahren im Tauchsport und deren Bewußtseinsbildung durch die Klubs, Abbau der Risikobereitschaft, Schärfen des Respekts vor den Tücken der Wassertiefen. Und andererseits sollten sie nicht striktes Verbot heißen, sondern Hinweise darauf enthalten, daß dort seit 1977 sechs Taucher ertrunken sind, daß dort wegen des abrupten Abbruchs auf 80 Meter Tiefe das Tauchen lebensgefährlich ist. Und vielleicht, daß nicht ohne Leinenverbindung und Hilfskräfte auf einem Boot getaucht werden darf, daß ab 30 Meter Tiefe der See stockfinster und knapp 5 Grad kalt ist. Also Information statt Verbot.
bär




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