KONSTANZ (bär). Die beiden am Freitag aus dem Bodensee tot geborgenen
Taucher vom berüchtigten Teufelstisch bei Konstanz-Wallhausen sind aller
Voraussicht nach ertrunken. Der SÜDKURIER berichtete darüber am Samstag. Wie
die Bergungsmannschaft festgestellt hat, waren die Preßluftflaschen leergeatmet,
und einer der beiden Taucher hatte auch noch den Luftvorrat seiner
Rettungsweste verbraucht. Unter Wasser muß sich ein dramatischer Kampf um Leben
und Tod abgespielt haben. In völliger Finsternis muß es beiden nicht gelungen
sein, ihre entgegen allen Regeln unter die Gerätegurte geschnallte Bleigewichte
abzuwerfen.
Vermutlich hatten die Verunglückten nicht einmal Taschenlampen bei sich. Der
See wird ab 30 bis 40 Meter stockfinster. Außerdem waren sie mit 7 bis 8 Kilo
Zusatzgewichten "überbleit", wie es in der Tauchersprache heißt. Aus eigener
Kraft konnten sie so nicht aufsteigen. Solches Gewicht wird genommen, um schnell
auf Tiefen von vier bis fünf Meter zu kommen. In Tiefen von 90 Meter soll man
gar kein Gewicht oder mindestens einen Wegwerfgurt benutzen.
Vermutlich wollten die Taucher gar nicht so tief absteigen. Aber offensichtlich
sind sie sehr rasch abgesunken. Es ist anzunehmen, daß ihr Todeskampf früh
einsetzte, als sie merkten, auf welche Tiefe sie gekommen waren.
Die beiden tot geborgenen Taucher, 28 und 35 Jahre alt und Mitglieder des
Schramberger Tauchsportclubs "Koralle", waren am Sonntag, 8. Juli, von einem
kleinen Boot direkt über dem Teufelstisch, einer rund 80 Meter hohen Felsnadel
unter der Wasseroberfläche, ins Wasser gestiegen.
Nach der komplizierten und schwierigen Bergungsarbeit mit zwei 650-Watt-
Scheinwerfern, Fernsehkamera und ferngesteuertem Greifer stand für die
Bergungsmannschaft fest: Nach dem Bleigewicht von 7 bis 8 Kilo zu urteilen,
wollten die beiden gar nicht so tief absteigen. Doch das Gewicht, geeignet für
eine Tiefe von vier bis fünf Metern, zog sie vermutlich ziemlich schnell bis
auf den 94 Meter tiefen Grund. In solche Tiefen sollen Taucher allenfalls mit
einem Gewicht bis zu höchstens einem Kilo absteigen. Aus eigener Kraft konnten
sie jedoch so nicht mehr hochtauchen. Und sie hatten versäumt, eine
Leinenverbindung zum Boot herzustellen, beim Tauchen in größere Tiefen
oberstes Gebot. Allein schon zur Signalgabe. Außerdem hatten sie die Bleigurte
nicht, wie Ausbilder immer lehren, über, sondern unter die Gerätegurte
geschnallt. Auf Wegwerfgurte hatten sie ebenfalls verzichtet. Ein erfahrener
Taucher vermag auch das Problem zu lösen, aber in möglicher Panik schafften die
Verunglückten das nicht mehr. Auch hatten die Rettungswesten versagt. Zwar waren
die Ventile geöffnet, aber in diesen Tiefen scheint ihre Funktionstüchtigkeit
problematisch. Bei der Bergung sahen die Helfer auf ihrem Monitor, wie sich die
Rettungsweste eines Tauchers erst in ca. 25 Meter Tiefe auffüllte.
Mögliche Versuche, sich von ihrem tödlichen Bleigewicht zu befreien, wurden
zudem von der in dieser Tiefe herrschenden totalen Finsternis erschwert. Die
Ertrunkenen hatten ganz offensichtlich keine Taschenlampen bei sich gehabt.
Einer der Taucher, der Erfahrenere, hatte außerdem keine Kopfbedeckung:
vermutlich erlitt er einen Kälteschock bei knapp 5 Grad Wassertemperatur.
Tauchverbot?
Tauchen ist zu einem beliebten Sport für "harte Männer" und "mutige"
Frauen geworden. Nachdem einst so tolle oder harte Sportarten wie Skilauf,
Tennis, Bergsteigen oder Surfen zum Breitensport wurden, der von jedermann
ausgeübt wird oder werden kann, müssen für die persönliche Note sportlicher
Zeitgenossen anderer Nervenkitzel und Erlebnisgefühle aktiviert werden:
Drachenfliegen, Wellenreiten und eben Tauchen. Beim Ausüben dieser Sportarten
können aber schon kleinste Fehler verheerende Wirkungen zeigen.
Der Unglücksfall am Teufelstisch ist tragisch, aber die beiden verunglückten
Taucher haben nahezu alle Fehler begangen, die einem Taucher unterlaufen können,
wie sich am Freitag herausstelle. Ist es deshalb sinnvoll, wenn das Landratsamt
dort das eilig ausgesprochenen Tauchverbot aufrechterhält? Es lag, das scheint
festzustehen, nicht am Teufelstisch, daß die beiden Taucher ums Leben gekommen
sind. Und das Tauchverbot könnte sogar noch Anziehungskraft auf ehrgeizige oder
waghalsige Taucher ausüben. Das glaubt auch die in solchen Dingen erfahrene
Bergungsfirma. Schließlich können solche Verbote gar nicht überwacht werden.
Also ist das Verbot im Hinblick auf sein lebenserhaltendes Moment ziemlich
sinnlos und das Landratsamt macht es sich damit etwas zu leicht. Um aber
dennoch Unglücksfälle zu verhindern, müssen andere Wege beschritten werden.
Sie heißen einmal: Bessere Ausbildung der Tauchsportwilligen, ständiger Hinweis
auf die Gefahren im Tauchsport und deren Bewußtseinsbildung durch die Klubs,
Abbau der Risikobereitschaft, Schärfen des Respekts vor den Tücken der
Wassertiefen. Und andererseits sollten sie nicht striktes Verbot heißen,
sondern Hinweise darauf enthalten, daß dort seit 1977 sechs Taucher ertrunken
sind, daß dort wegen des abrupten Abbruchs auf 80 Meter Tiefe das Tauchen
lebensgefährlich ist. Und vielleicht, daß nicht ohne Leinenverbindung und
Hilfskräfte auf einem Boot getaucht werden darf, daß ab 30 Meter Tiefe der See
stockfinster und knapp 5 Grad kalt ist. Also Information statt Verbot.